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Patienteninformation Primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT)
Erkrankungen der Nebenschilddrüsen sind im Gegensatz zu Schilddrüsenerkrankungen eher unbekannt, obwohl Patienten mit Nebenschilddrüsenerkrankungen die zweitgrößte Patientengruppe sind, bei denen Operationen an Hormon produzierenden Drüsen durchgeführt werden.
Bei immer mehr Patienten wird zu einem immer früheren Zeitpunkt eine Überfunktion der Nebenschilddrüsen - häufig als Zufallsbefund bei Blutuntersuchungen - diagnostiziert, ohne dass ausgeprägte Beschwerden vorliegen. Dennoch führt die Erkrankung im Verlauf meistens zu einer relevanten Einschränkung der Lebensqualität.

Die Nebenschilddrüsen
Die Nebenschilddrüsen liegen, wie es ihr Name bereits besagt, neben der Schilddrüse. Der Fachausdruck lautet Glandulae parathyreoideae. 
Die meisten Menschen haben vier Nebenschilddrüsen, welche seitlich oder hinter der Schilddrüse liegen. Bei etwa 3-5% der Menschen liegen mehr als 4 Nebenschilddrüsen vor. Üblicherweise sind diese ungefähr 3x3x1mm groß, was etwa knapp der Größe einer Erbse entspricht und wiegen jeweils 20-40mg. Selten liegen Lagevarianten der Nebenschilddrüsen vor, die sich durch ihre Entwicklungsgeschichte erklären lassen. In dieser Lagevariabilität der Nebenschilddrüsen liegt eine der Schwierigkeiten der Nebenschilddrüsenoperationen begründet. 
In den Nebenschilddrüsen wird das Parathormon (PTH) gebildet, das für den Kalzium-Stoffwechsel bedeutend ist. Ist der Kalzium-Spiegel im Blut zu niedrig, bewirkt das PTH, dass vermehrt Kalzium aus der Nahrung aufgenommen wird, aus den Knochen herausgelöst und in der Niere rückresorbiert wird, bis die Konzentration im Blut wieder normalisiert ist. Gegenspieler des Parathormons ist das in der Schilddrüse gebildete Calcitonin, das im Körper bei zu hohem Kalzium-Blutspiegel gegenläufige Mechanismen auslöst.

Überfunktion der Nebenschilddrüsen
Bei der primären Überfunktion der Nebenschilddrüsen besteht eine über den Bedarf des Organismus hinausgehende Parathormonsekretion, deren Ursache nicht bekannt ist. Es resultiert eine krankhafte Erhöhung des Kalziumspiegels im Blut (Hyperkalzämie). In den allermeisten Fällen liegt ein gutartiger Tumor einer einzigen Nebenschilddrüse (ca. 85%) vor. Seltener sind zwei (5-10%) oder mehr als zwei Nebenschilddrüsen (ca. 10%) betroffen. Nebenschilddrüsenüberfunktionen auf Grund eines bösartigen Nebenschilddrüsentumors sind sehr selten (1%). In 5% der Fälle liegt dem primären Hyperparathyreoidismus eine familiäre vererbbare Form zugrunde. 
Ein so genannter sekundärer Hyperparathyreoidismus tritt meist bei Patienten mit Nierenversagen auf. Bei Patienten mit dieser Form des Hyperparathyreoidismus sind alle Nebenschilddrüsen krankhaft vergrößert.
Es treten ca. 25-30 Neuerkrankungen auf 100.000 Einwohner pro Jahr auf. Frauen sind wesentlich häufiger betroffen; das Verhältnis zwischen erkrankten Männern und Frauen liegt bei 1:3.
Die vermehrte Produktion und Ausschüttung von Parathormon führt durch seine Wirkung an Knochen und den Nieren zum Anstieg des Kalziumspiegels im Blut über den oberen Normalwert hinaus (Hyperkalzämie). Dies führt an vielen Organen zu Funktionsstörungen. Hält die Hyperkalzämie länger an, können an den Organen nicht mehr zu korrigierende Folgeschäden auftreten. 

Wie wird die Diagnose eines primären Hyperparathyreoidismus gestellt?
Meistens wird die Diagnose eines primären Hyperparathyreoidismus zufällig im Rahmen anderweitiger Untersuchungen bei Blutwertkontrollen durch einen über den Normwert erhöhten Kalziumspiegel festgestellt. 
Zur korrekten Diagnosestellung sollten über mehrere Blutentnahmen mehrfach erhöhte Kalziumspiegel im Blut gemessen worden sein. Zudem muss die Parathormonkonzentration gemessen werden. Eine mehrfach dokumentierte Hyperkalzämie in Kombination mit einem erhöhten Parathormonspiegel ist beweisend für das Vorliegen eines primären Hyperparathyreoidismus. Andere Ursachen, welche zu einer Hyperkalzämie führen können, müssen vor der definitiven Diagnosestellung ausgeschlossen werden.

Symptome
Typische Symptome werden vor allem durch die mit der Nebenschilddrüsenüberfunktion verbundenen Hyperkalzämie verursacht. Diese Symptome sind meist reversibel; das heißt, dass nach Normalisierung des Kalziumspiegels durch eine erfolgreiche Operation eine vollständige Normalisierung zu erwarten ist.
Neben neuropsychiatrischen Symptomen, wie Müdigkeit, Kraftlosigkeit, Depressionsneigung, Desorientierung und Gedächtnisstörungen können nierenassoziierte Symptome, übermäßiger Durst (Polydipsie) und eine vermehrte Harnausscheidung (Polyurie) auftreten. Beschwerden des Magen-Darm-Traktes, wie Appetitlosigkeit, Erbrechen, Gewichtabnahme und Verstopfung, können durch eine Hyperkalzämie ebenso verursacht sein, wie Störungen der Herz-Kreislauffunktion (Herzfrequenzsteigerungen, Rhythmusstörungen, Bluthochdruck).
Die häufigste Organmanifestation ist das Nierensteinleiden, das zur kompletten Verkalkung des Nierengewebes führen kann.
Am Skelett kommt es zu Umbauprozessen, zu einer zunehmenden Entkalkung der Knochen. Dies kann zu Rücken- und Gelenksschmerzen führen. Bei fortgeschrittener Erkrankung können spontane Knochenbrüche auftreten. 
Bei sehr hohen Kalziumspiegeln können lebensbedrohliche Krisen auftreten, die zu einem akuten Nierenversagen und Hirnfunktionsstörungen bis hin zum Koma führen können. 
Wegen des häufigen Auftretens von Nierensteinen, Knochenschmerzen und Symptomen am Magen-Darm-Trakt (Magen- und Zwölffingerdarm-Geschwüre) wurde früher oft der Begriff der „Stein-, Bein- und Magen-Pein“ gebraucht.

Wie wird ein primärer Hyperparathyreoidismus behandelt?
Zwar gibt es Medikamente, die den Kalziumspiegel kurzfristig senken können, eine definitive Korrektur der Hyperkalzämie kann jedoch nur durch eine Operation erreicht werden. Manchmal liegen nur milde Symptome vor, die klinisch kaum zu bemerken sind. Insbesondere milde neuropsychologische Symptome können oft erst nach erfolgreicher operativer Korrektur der Hyperkalzämie durch eine Verbesserung des Allgemeinbefindens als solche erkannt werden. Bei absolut beschwerdefreien Patienten kann unter bestimmten Voraussetzungen und nur geringgradig erhöhtem Kalziumwert in Ausnahmefällen eine abwartende Haltung eingenommen werden.
Die Operation mit Entfernung der krankhaft veränderten Nebenschilddrüse(n) stellt die einzige therapeutische Option dar. Sie ist in der Hand eines erfahrenen Nebenschilddrüsenchirurgen nahezu immer erfolgreich. Bei der Standardoperation zur Behandlung des primären Hyperparathyreoidismus werden über einen queren Zugang am Hals alle vier Nebenschilddrüsen dargestellt. Alle krankhaft vergrößerten Nebenschilddrüsen werden entfernt. Meistens handelt es sich um eine einzige vergrößerte Nebenschilddrüse (85% der Fälle). Sollten alle vier Drüsen vergrößert sein (10-15% der Fälle), werden dreieinhalb Drüsen entfernt und eine halbe Drüse belassen. 
Durch diese Operation, die in unserer Klinik bereits über 1000mal durchgeführt wurde, wird in über 95% eine Heilung erreicht. Die Operation gilt als äußerst sicher. Verletzungen der Stimmbandnerven werden in weniger als 1% der Fälle beobachtet; die Häufigkeit von Nebenschilddrüsenunterfunktionen nach Operation beträgt ca. 2-4%. 

Minimal-invasive Nebenschilddrüsenchirurgie
Seit einigen Jahren wird in unserer Chirurgischen Klinik, die als international renommiertes Zentrum für Nebenschilddrüsenchirurgie gilt, die minimal-invasive Entfernung von Nebenschilddrüsen vorgenommen. Die vergrößerte Nebenschilddrüse wird dabei über einen minimalen Schnitt von ca. 2 cm Länge entfernt. Voraussetzung für die Durchführung über einen solch kleinen Zugang ist die Kenntnis über die Lage der vergrößerten Drüse und die Möglichkeit, den Operationserfolg intraoperativ mittels eines Parathormonschnelltests zu überprüfen.Weitere Informationen unter:  www.nebenschilddruese.de.