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Opiode in der Schmerztherapie: Information ist wichtig

Seit der erstmaligen Isolierung des Morphins durch Sertürner im Jahre 1805 und der darauf folgenden Entwicklung synthetischer Opioide steht uns eine Vielzahl potenter Schmerzmedikamente aus dieser Gruppe zur Verfügung. Ein zum Teil unkritischer Einsatz durch viele Ärzte sowie der zunehmende Missbrauch v.a. von Heroin durch Drogenabhängige führte jedoch zur zunehmenden Stigmatisierung, die die Verschreibung von Opioiden in die Nähe der Kriminalität rückte.
Diese Vorurteile gegenüber Opioiden von Seiten der Patienten, jedoch auch leider immer noch auch von ärztlicher Seite verhindern häufig eine adäquate Schmerztherapie. So gibt es auch heute immer noch Patienten, die starke Schmerzen aushalten müssen, weil ihnen ihr Hausarzt keine Opioide verschreiben möchte, aus Angst, sie würden davon "süchtig".
Opioide nur bei Tumorschmerzen?
In der Palliativmedizin zur Behandlung stärkster Tumorschmerzen sind Opioide heutzutage weitgehend unumstritten. Bei chronischen Schmerzen des Bewegungsapparates (z.B. Arthrose-, Osteoporose- oder chronischer Rückenschmerz) allerdings wird medikamentös gewöhnlich in Anlehnung an das WHO-Stufenschema zur Therapie tumorbedingter Schmerzen behandelt.
Dieses sieht in Abhängigkeit von der Stärke der Schmerzen auf der ersten Stufe den Einsatz von sogenannten peripher wirkenden Analgetika ("NSAR"= nichtsteroidale Antiphlogistika) vor. Auf der Stufe II werden schwache und auf Stufe III starke Opioide eingesetzt, die mit Analgetika der Stufe I kombiniert werden sollten.
Mittlerweile wird jedoch unter erfahrenen Schmerztherapeuten zunehmend die Ansicht vertreten, dass aufgrund der hohen Nebenwirkungsrate der meisten "peripheren" Analgetika in der Therapie chronischer Schmerzen die Stufe I nach WHO "übersprungen" und gleich mit einem niederpotenten Opioid therapiert werden sollte.
So können bei Therapie mit NSAR in Abhängigkeit von den persönlichen Risikofaktoren und Vorerkrankungen des Patienten auch tödlich verlaufende Ulcerationen und Blutungen ohne jede Vorwarnung auftreten. Organtoxische Nebenwirkungen von NSAR auf Nieren, ZNS, Blutbildung und Gerinnung lassen sowohl die generelle Empfehlung, NSAR als Eingangsstufe eines medikamentösen Therapieschemas, wie auch das Beibehalten dieser Substanzgruppe als Komedikation zu Opioiden für die Langzeittherapie chronischer Schmerzen als fraglich erscheinen.
Opioidanalgetika dagegen haben auch bei Dauertherapie keine Organtoxizität und bleiben auch in der Langzeittherapie - wenn notwendig lebenslang - bei chronischen Schmerzen in der gleichen Dosierung wirksam.

Opioide und Abhängigkeit?
Eine Abhängigkeit von Opioiden im Sinne einer "Sucht" ist bei sachgemäßer Verschreibung und Einnahme moderner Opioidpräparate nahezu ausgeschlossen. Dafür sind lediglich einige wichtige Regeln zu beachten:
• Orale Gabe des Opioids wann immer möglich (alternativ: transkutan)
• Einnahme nach festem Zeitschema und nicht nach Bedarf Dies gewährleistet konstante Wirkspiegel. Retardierte Zubereitungen vereinfachen die Einnahme auf 2-3 x täglich. Das Thema "Sucht" spielt dann praktisch keine Rolle, weil der Patient die Einnahme des Medikaments nicht mit der Schmerzbefreiung in Verbindung bringt.
• Dem Patient muss ein schnell wirkendes Analgetikum als Bedarfsmedikament bei Schmerzspitzen zur Verfügung stehen.
• Nach WHO-Stufenschema u.U. das starke Opioid in Kombination mit einem Nichtopioid verordnen.
• Individuelle Dosierung bzw. Einstellung - Die richtige Dosis ist die, die zur Schmerzfreiheit führt. Es gibt keine "Höchstdosis" a priori.
• Beachtung der potenziellen Nebenwirkungen wie Übelkeit und Obstipation. Übelkeit tritt meist nur zu Beginn der Behandlung (in der Einstellungsphase) auf. Bewährt hat sich eine Behandlung mit Metoclopramid oder Haloperidol; manchmal ist eine Kombinationstherapie verschiedener Antiemetika notwedig. Obstipation muss als bleibende Nebenwirkung immer mitbehandelt werden.
Von einer Suchtgefahr durch Opioide abzugrenzen ist selbstverständlich eine körperliche Abhängigkeit, das heißt wenn das Medikament zu rasch abgesetzt wird, entstehen körperliche Entzugssymptome.

Wie sag´ ich´s meinem Patienten?
"Morphium, Herr Doktor? Werde ich davon nicht abhängig?"
Diese Frage hören wir in unserer Schmerzambulanz häufiger, wenn es darum geht, einen Patienten auf Opioidpräparate einzustellen. Häufig hilft der Hinweis, dass der Patient mit chronischer Schmerzkrankheit von seinem Schmerzmedikament ebenso "abhängig" ist, wie ein Asthmakranker von seinem "Asthmamittel" oder ein Herzkranker von seinen "Herztabletten". Das heißt, ohne regelmäßige Einnahme des Medikaments sind seine Beschwerden nicht zu kontrollieren, aber dadurch wird er bei sachgemäßer Einnahme nicht zum "Süchtigen"!