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Barrett-Ösophagus und Karzinom

Das Forschungsnetzwerk g4b (genes for barrett‘s) beschäftigt sich mit der Aufklärung der genetischen und zellbiologischen Ursachen des Barrett-Ösophagus und -Karzinoms. Die molekulargenetischen Analysen von g4b werden am Zentrum für Humangenetik des Universitätsklinikums Marburg sowie am Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Bonn durchgeführt.

Klinik des Barrett-Ösophagus und -Karzinoms

Der Barrett-Ösophagus entsteht zumeist als Folge einer Reflux-Erkrankung, bei der die Magensäure in die Speiseröhre (Ösophagus) zurückfließt. Etwa 10% aller Patienten mit einer Reflux-Ösophagitis, d. h. mit einer Entzündung der unteren Speiseröhre infolge einer Reflux-Erkrankung, entwickeln einen Barrett-Ösophagus (Böhmer et al. (2017) Neurogastroenterol Motil). Dabei kommt es zu typischen Veränderungen der Schleimhaut des Ösophagus, die nach dem Britischen Chirurgen Norman Barrett (1903-1979) als Barrett-Ösophagus bezeichnet werden. Symptome können Sodbrennen und Schmerzen im Brustbereich sein. Die Diagnose des Barrett-Ösophagus kann nur durch eine Speiseröhrenspiegelung (Endoskopie) erfolgen. Hierbei wird auch eine Gewebeprobe (Biopsie) entnommen, die die definitive Diagnose eines Barrett-Ösophagus ermöglicht.

Bei dem Barrett-Karzinom handelt es sich um Speiseröhrenkrebs, d. h. es befinden sich entartete Zellen (Krebszellen) in der Speiseröhre. Die Erkrankung entwickelt sich aus einem Barrett-Ösophagus, wobei nur ein kleiner Teil von Patienten mit einem Barrett-Ösophagus ein Barrett-Karzinom entwickelt (Böhmer et al. (2017) Neurogastroenterol Motil). Allerdings ist die Prävalenz des Barrett-Karzinoms in hochentwickelten Ländern in den letzten Jahren exponentiell angestiegen, woran maßgeblich Umweltfaktoren beteiligt sein werden. Es sind aber auch genetische Faktoren an der Entwicklung eines Barrett-Karzinoms beteiligt. Die Beschwerden des Barrett-Karzinoms treten oft erst im fortgeschrittenen Stadium auf. Erste Symptome sind Schluckbeschwerden, Schmerzen hinter dem Brustbein und Gewichtsverlust. Nach wie vor hat das Barrett-Karzinom im fortgeschrittenen Stadium eine schlechte Prognose. Ebenso wie beim Barrett-Ösophagus wird seine Diagnose in der Regel im Rahmen einer Endoskopie anhand einer Biopsie gestellt. Die anschließende mikroskopische Untersuchung der Gewebeproben durch einen erfahrenen Pathologen gibt dann Aufschluss, ob es sich tatsächlich um ein Barrett-Karzinom handelt.

Genetik des Barrett-Ösophagus und -Karzinoms

Beim Barrett-Ösophagus und -Karzinom handelt es sich um eine multifaktorielle Erkrankung (Böhmer et al. (2017) Neurogastroenterol Motil). Mit dem Ziel, genetische Risikovarianten für den Barrett-Ösophagus und das Barrett-Karzinom zu identifizieren, führten wir gemeinsam mit Forschergruppen aus Australien, Großbritannien und den USA eine GWAS an einem großen Fall-Kontrollkollektiv europäischer Herkunft durch (> 10.000 Patienten, > 17.000 Kontrollen) (Gharahkhani et al. (2016) Lancet Oncol). In dem Kollektiv testeten wir > 11 Millionen häufige genetische Varianten auf Assoziation zur Krankheit. Insgesamt konnten wir 13 genetische Risikovarianten identifizieren (P < 5 x 10-08, Odds Ratio (OR) = 1,11-1,23), die dem Barrett-Ösophagus und -Karzinom ursächlich zugrunde liegen. Dem Manhattan Plot in Abbildung 1 sind die assoziierten Risikovarianten, deren chromosomale Lokalisationen und die in der Nähe zu den Varianten liegenden Gene zu entnehmen.

Alle signifikant assoziierten Risikovarianten liegen gleichsam der Entwicklung eines Barrett-Ösophagus und -Karzinoms ursächlich zugrunde. Eine Ausnahme hiervon ist die genetische Variante rs9823696 auf Chromosom 3q27 nahe der Gene HTR3C und ABCC5. Sie zeigt ausschließlich in der GWAS zum Barrett-Karzinom Assoziation (P = 1,6 x 10-08, OR = 1,17). Demgegenüber ist sie nicht mit dem Barrett-Ösophagus assoziiert (P = 0,45, OR = 1,02) (s. Abbildung 2). Solchen Karzinom-spezifischen Risikovarianten wird große Bedeutung zukommen. Sie werden nämlich die Wahrscheinlichkeit vorhersagen können, dass Patienten mit Barrett-Ösophagus ein Karzinom entwickeln.

Die GWAS-Daten wurden auch Pathway-Analysen zugeführt. Sie zeigten, dass Gene im Bereich der Assoziationssignale für zelluläre Prozesse der Muskelzelldifferenzierung und mesenchymalen Zelldifferenzierung angereichert sind. Störungen der Muskeldifferenzierung könnten der Ausbildung von Zwerchfellhernien ursächlich zugrunde liegen, die ein maßgeblicher Dispositionsfaktor für Reflux von Magensäure in die Speiseröhre sind. Demgegenüber handelt es sich bei der mesenchymalen Zelldifferenzierung um einen wichtigen Pathway, der am Verlust der Zelladhäsion, verstärkten Zellmigration und Zellinvasion beteiligt ist. Es handelt sich um wichtige Vorgänge bei der Entstehung eines Barrett-Karzinoms (Gharahkhani et al. (2016) Lancet Oncol).

Gegenwärtig beschäftigt sich die Arbeitsgruppe mit der funktionellen Charakterisierung der identifizierten Risikovarianten. Zudem wird der gemeinsame genetische Einfluss zwischen dem Barrett-Ösophagus/-Karzinom und anderen Phänotypen, u. a. der Adipositas, auf der Ebene von Polygenic Risk Scores (PRSs) bestimmt und das Patienten-Kollektiv für erweiterte GWAS vergrößert.