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Interpretation der Ergebnisse

Welche Bedeutung hat der Nachweis von Bakterien in welchen Materialien?
In physiologisch sterilen Materialien (z. B. Blut, Liquor, Gewebe usw.) ist jeder Nachweis von pathogenen Keimen von klinischer Bedeutung. Beim Nachweis pathogener Bakterien in großen Mengen in Körpersekreten oder Abstrichen ist die Wahrscheinlichkeit einer Infektion größer als bei niedrigen Keimkonzentrationen, bei denen es sich auch um Kontaminationen handeln kann. Bei Infektionen reagiert der Körper auf die Anwesenheit der Bakterien mit einer lokalen Leukozyteneinwanderung oder einer allgemeinen Entzündungsreaktion (Leukozytose); geschieht dies nicht, handelt es sich um „Besiedelungen“. Wichtig: Bakterielle Besiedelungen ohne entsprechende Klinik bedürfen in der Regel keiner Antibiotika-Therapie. (Ausnahmen: z. B. Bakteriurie in der Schwangerschaft mit der Gefahr einer Pyeolonephritis; Wundbesiedelung mit Clostridien als potentielles Risiko für Gasbrand).

Blutkulturen
Erreger
Der Nachweis pathogener Erreger in der Blutbahn deutet auf einen Sepsisherd hin. Die häufigsten Sepsis-Erreger sind: Staph. aureus, E. coli u. a. Enterobakterien, Koagulase-negative Staphylokokken, Enterokokken, bei nosokomialen Infektionen auch Pseudomonas aeruginosa, Nonfermenter, Pilze.

Interpretation
Werden Hautkeime (Koagulase-negative Staphylokokken: Staph. epidermidis u. a., Nicht-hämolysierende Streptokokken, Propionibakterien) in nur einer Blutkultur nachgewiesen, kann es sich um eine Kontamination bei der Abnahme handeln. Der Nachweis in mehreren Blutkulturen weist auf eine echte Infektion, z. B. Katheterinfektion, hin.

Die Bakterienart kann Hinweise auf den Infektionsherd geben

  • Vergrünende Streptokokken: Endokarditis
  • Staph. aureus: Abszess, Osteomyelitis, Katheterinfektion
  • E. coli: Harnwegsinfektion (Urosepsis), Cholangitis, Peritonitis
  • Koagulase-neg. Staphylokokken: Katheterinfektion

Urin
Erreger von Harnwegsinfektionen (HWI)
Ambulant erworbene HWI: 60-80 % E. coli, 20-30 % Enterokokken, bei jungen Frauen Staphylococcus saprophyticus, selten andere Enterobakterien.
Nosokomial erworbene HWI: 40 % E. coli, 20 % Enterokokken. Rest: andere Enterobakterien, Nonfermenter (Pseudomonas, Acinetobacter u.a.).

Hinweis auf HWI
Wichtig ist die Keimzahlbestimmung, um Infektionserreger von Kontaminationskeimen zu unterscheiden. Eine HWI ist wahrscheinlich beim Nachweis signifikanter Keimzahlen, einer Leukozyturie und entsprechender Klinik.

Signifikante Keimzahlen

  • Mittelstrahlurin: >100 000 Keime/ml. Bei kurzer Verweildauer des Urins in der Harnblase
    (2 Stunden) oder bei Säuglingen sind auch geringere Keimzahlen signifikant.
  • Katheterurin: ab 10² Keime/ml

Bei Suprapubischem Blasenkatheter: jeder Keimnachweis

Punktate, Sterile Körperflüssigkeiten, Liquor
Jeder Keimnachweis ist signifikant.

Wundabstriche
Erreger von Wundinfektionen: 80 % Staphylococcus aureus, 15-20 % ß-hämolysierende Streptokokken, bei tiefen Wunden Anaerobier (Clostridien), selten Enterobakterien oder Pseudomonas aeruginosa. Bei Tierbissen: Pasteurellen. Bei Verbrennungen: Staphylococcus aureus, Pseudomonas aerugionosa.

Hinweis auf Infektion
Nachweis typischer Erreger (Staphylococcus aureus, ß-hämolysierende Streptokokken, Clostridien) oder massenhaft anderer pathogener Keime in eitrigem Material (Mikroskopie: viel Leukozyten). Bei Fremdkörperimplantaten ist auch der massenhafte Nachweis von Koagulase-negativen Staphylokokken (Hautkeime) von Bedeutung. Sie sind typische Erreger Plastik-assoziierter Infektionen.

Venenkatheter
Häufigste Erreger von Katheterinfektionen: Staphylococcus epidermidis, Staph. aureus, Enterokokken, seltener gramnegative Bakterien, Pilze.

Hinweis auf Infektion
Quantitative Angaben sind für die Interpretation notwendig: geringe Keimzahlen sprechen für eine Kontamination, hohe Keimzahlen für eine Infektion (mindestens 15 Kolonien in der Ausroll-Platten-Kultur-Technik).
Material aus unteren Atemwegen bei Pneumonie

Erreger von Pneumonien
Ambulant erworbene, typische Pneumonie (Eiteransammlung in den Alveolen): 60 % Pneumokokken, 20 % H. influenzae, 1-2 % Staph. aureus, Klebsiellen. Atypische/interstitielle Pneumonie: 10-15 % Mycoplasmen, 10-15 % Chlamydien, 10 % Legionellen. Beatmungspneumonie: in den ersten Tagen gleiches Erregerspektrum wie bei der ambulant erworbenen, typischen Pneumonie. Ab dem 5.-7. Tag: vorwiegend Enterobakterien, Pseudomonaden, Staph. aureus.

Bronchialsekret/Trachealsekret
Interpretation
Neben einem quantitativen Keimnachweis sollte immer eine zytologische Beurteilung erfolgen. Einzelne Keime (10³/ml) sprechen für eine Kontamination, während massenhaft nachgewiesene Erreger (>105 /ml) bei gleichzeitigem Nachweis vieler Leukozyten auf eine Infektion hinweisen. Enthält die Probe massenhaft Bakterien ohne Leukozyten, handelt es sich bei nicht-neutropenischen Patienten ohne eindeutige Klinik um eine Besiedelung, die keine Antibiotikatherapie erforderlich macht.

Bronchoalveoläre Lavage (BAL)
Interpretation
Keimzahlen >10³/ml sind verdächtig für eine Infektion. Sie entsprechen durch den Verdünnungseffekt Keimzahlen von >105 /ml im Ausgangsmaterial.

Sputum
Interpretation
Die Aussagekraft nachgewiesener Erreger ist stark von der Qualität des gewonnenen Materials abhängig. Eine Beurteilung ist zytologisch möglich: stammt das Material aus der Tiefe der Atemwege, enthält es Bronchial- oder Alveolarepithelien und bei Infektionen viele Leukozyten. Sind viele Plattenepithelien vorhanden, stammt es aus der Mundhöhle (Speichel) und ist mit Mundflora kontaminiert. Die Relevanz der nachgewiesenen Keime ist in diesem Fall äußerst fraglich.

Rachenabstriche
Die Besiedelung des Nasen-Rachen-Raumes mit pathogenen Erregern (ß-hämolysierenden Streptokokken, Haemophilus influenzae, Pneumokokken) ist Ausgangsquelle für Infektionen z. B. des Pharynx (Tonsillitis: Streptokokken-Angina), der Nasennebenhöhlen, des Mittelohres, evtl. des Auges. Absteigend können sie Epiglottitis (H. influenzae), Bronchitis oder Pneumonie verursachen. Der massenhafte Nachweis dieser pathogenen Erreger im Rachen kann ein Hinweis bei entsprechenden Infektionen sein. Besser ist jedoch, die Erreger in Abstrichen vom Infektionsort, z. B. Ohr, Auge etc., nachzuweisen. Bei Streptokokken-Angina oder Scharlach ist der Nachweis ß-hämolysierender Streptokokken relevant. Zum Nachweis einer Pneumonie sind Rachenabstriche ungeeignet!

Stuhl
Hinweis auf Gastroenteritis:
jeder Nachweis von darmpathogenen Erregern, z. B. Salmonellen, Shigellen, Yersinien, Campylobacter, Vibrio cholerae, ist bedeutsam.