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Geschichte der Klinik

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann sich die Lehre der Hautkrankheiten als eigenständiges medizinisches Fach zu etablieren. Die größte praktische Bedeutung hatten damals infektiöse Erkrankungen, vor allem die Hauttuberkulose und die Syphilis. Da die Syphilis und andere Geschlechtskrankheiten fast ausschließlich anhand von Hautveränderungen diagnostiziert werden konnten, wurden Geschlechtskrankheiten von Beginn an in das Gebiet der Dermatologie einbezogen. Und da Geschlechtskrankheiten die häufigste Ursache männlicher Unfruchtbarkeit darstellten, galt dies auch für die Andrologie. Die ersten Vorlesungen über Haut- und Geschlechtskrankheiten wurden in Gießen vom Chirurgen Poppert und dem Internisten Georg Sticker abgehalten.

   Georg Sticker 

Georg Sticker (1860-1960) beschrieb im Jahre 1899 als erster das Erythema infectiosum, die "Ringelröteln". Er war später Ordinarius für Geschichte der Medizin in Würzburg. Im Jahre 1906 wurde in Gießen eine Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten eingerichtet. Als deren Leiter wurde Albert Jesionek (1870-1935) verpflichtet, ein Schüler von Karl Posselt in München.

   Albert Jesionek

Jesionek betrieb als außerplanmäßiger Professor zunächst eine kleine Ambulanz im Keller der Medizinischen Klinik, setzte dann jedoch den Bau einer Heilstätte für Hauttuberkulose (1913) und einer eigenständigen Hautklinik (1914) durch. Im Jahre 1916 wurde er zum ordentlichen Professor ernannt. Damit erhielt Gießen als vierte Universität in Deutschland ein Ordinariat für Haut- und Geschlechtskrankheiten.





Jesioneks Interesse galt vor allem der Hauttuberkulose, dem "Lupus vulgaris", an dem über zehn Prozent seiner Patienten litten und der mit furchtbar entstellenden Hautveränderungen einherging. Jesionek machte sich die neuen Erkenntnisse des dänischen Nobelpreisträgers Niels Finsen über die Lichttherapie zunutze: in der Lupus-Heilstätte (der heutigen Klinik Seltersberg) wurde die Hauttuberkulose unter anderem mit "Lichtbädern" behandelt.

   

Jesionek versuchte außerdem, die Abwehrkräfte seiner Patienten durch Luft, Sport und Diät zu stimulieren. Die Ergebnisse seiner Forschungen faßte er in mehreren Lehrbüchern zusammen ("Lichtbiologie", 1910; "Lichtbiologie und Lichtpathologie", 1912; "Biologie der gesunden und kranken Haut", 1916; "Tuberkulose und Haut", 1929).
Sein auf biologische Zusammenhänge gerichtetes Interesse teilte Jesionek auch seinen Schülern mit. Besonders zu erwähnen ist der Ungar Stephan Rothman (1894-1963), der als einer der herausragenden Dermatologen des 20. Jahrhunderts gilt.

   Stephan Rothman

Rothman arbeitete von 1920 bis 1928 an der Gießener Hautklinik, wechselte dann nach Budapest, wo er als Generalsekretär im Jahre 1935 den IX. Internationalen Kongreß für Dermatologie betreute, und folgte 1938 einem Ruf an die Universität von Chicago. Rothman demonstrierte als erster den Vitamin-D-Vorläufer 7-Dehydrocholesterol in menschlicher Epidermis, untersuchte die Zusammensetzung von Talgdrüsenlipiden, zeigte den Zusammenhang zwischen Hautlipiden und Bakterienbesiedlung der Haut auf und beschrieb die lichtschützende Wirkung von para-Aminobenzoesäure, die noch heute in vielen Lichtschutzmitteln eingesetzt wird. Bahnbrechend wirkte sein 1954 erschienenes Lehrbuch "Physiology and biochemistry of the skin", das Albert Jesionek gewidmet war.

Vier Mitarbeiter der Gießener Hautklinik, die sich unter Albert Jesionek habilitierten, wurden später gleichfalls Ordinarien für Dermatologie. Neben Stephan Rothman waren dies Walther Schultze (1893 - 1970), Sigwald Bommer (1893 - 1963) und Wilhelm Engelhardt (1895 - 1977).

Wilhelm Engelhardt beschäftigte sich vornehmlich mit Mykologie und Berufsdermatosen. Von 1936 bis 1945 war er Direktor der Universitäts-Hautklinik in Tübingen. Sigwald Bommer wurde bekannt durch seine Studien zur Ernährungslehre und ihrer Bedeutung für die Dermatologie. Von 1950 bis 1962 leitete er die Universitäts-Hautklinik in Greifswald.

 

   
 Wilhelm Engelhardt  Sigwald Bommer

Walther Schultze arbeitete auf dem Gebiet der dermatologischen Strahlentherapie und Hautphysiologie. Sein besonderes Interesse galt den Effekten der Hautreinigung. 1934 wechselte Schultze von Gießen an die Universität von Jena, kehrte jedoch schon ein Jahr später als Nachfolger Jesioneks an seine alte Wirkungsstätte zurück.
Die Zeit des 3. Reiches hatte für die deutsche Dermatologie schwere Auswirkungen. An allen Universitäten wurden Dermatologen jüdischer Herkunft aus ihren Stellungen gedrängt und durch Parteimitglieder ersetzt, deren wissenschaftliche Qualifikation häufig zu wünschen übrig ließ. Auch die Berufung Walther Schultzes hatte politische Gründe: Schultze war überzeugter Nationalsozialist. Im Jahre 1945 wurde er aus dem Amt entfernt. Die Leitung der im Krieg schwer beschädigten Hautklinik übernahm von 1945 bis 1949 sein früherer Oberarzt Hans Koehler (1908 - 1973), der im Jahre 1965 erster Ordinarius für Dermatologie an der Medizinischen Universität zu Lübeck wurde.

 

   
 Walther Schultze  Hans Koehler

 

Von 1949 bis 1969 stand die Universitäts-Hautklinik Gießen unter der Leitung von Rudolf Maximilian Bohnstedt (1900 - 1970), einem Schüler des berühmten Münchner Dermatologen Leopold Ritter von Zumbusch. 1935 mußte Bohnstedt aus politischen Gründen die Münchner Universitäts-Hautklinik verlassen und arbeitete bis zum Ende der nationalsozialistischen Diktatur als niedergelassener Hautarzt in Dresden und Berlin. Nach seiner Ernennung zum Ordinarius für Dermatologie in Gießen baute er die Hautklinik wieder auf.

  

Rudolf Maximilian Bohnstedt

  

Bohnstedt schuf neue Abteilungen für dermatologische Röntgen-Therapie, medizinische Physik und Andrologie und förderte die Entwicklung der dermatologischen Histopathologie unter Wilhelm Knoth (1923-1982; ab 1967 Chefarzt der Hautklinik Stuttgart-Bad Cannstadt) und Günter Ehlers (geb. 1920; ab 1975 Chefarzt der Hautklinik Berlin-Neukölln). Bohnstedts Interesse galt vor allem den Beziehungen zwischen Hautkrankheiten und Störungen innerer Organe.

 

   
Wilhelm Knoth  Günter Ehlers 

 

Bohnstedts Nachfolger war Leonhard Illig (1920 - 2011), ein Schüler des Freiburger Dermatologen Karl Wilhelm Kalkoff. Illig leitete an der Gießener Hautklinik die Abteilung für klinische und experimentelle Dermatologie.

   

Leonhard Illig

Darüberhinaus wurde im Jahre 1980 für Bohnstedts Schüler Wolfgang Meyhöfer (geb. 1922) ein eigenständiger Lehrstuhl für Andrologie und Venerologie geschaffen. Wissenschaftliche Schwerpunkte Meyhöfers waren Untersuchungen zum DNS-Gehalt von Spermatozoen sowie zum Einfluß von Medikamenten und Spurenelementen auf die männliche Fertilität, während sich Illig mit hämorhagischen Diathesen, der Urticaria und dem malignen Melanom beschäftigte.

   

Wolfgang Meyhöfer

Die Hautklinik wurde durch einen Polikliniksanbau vergrößert, es entstanden moderne Laboratorien zur andrologischen Funktionsdiagnostik, Allergieambulanz und Tumorambulanz wurden erweitert. Herausragende Mitarbeiter jener Zeit waren Walter Krause (geb. 1939; später Leiter der Abteilung für Andrologie an der Hautklinik der Universität Marburg), Max Hundeiker (geb. 1937; ab 1984 Chefarzt der Fachklinik Hornheide der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster) und Eberhard Paul (geb. 1942; ab 1989 Chefarzt der Hautklinik Nürnberg).

 

     
 Walter Krause Max Hundeiker  Eberhard Paul

 

Als Illig und Meyhöfer 1988 und 1989 nahezu gleichzeitig emeritierten, wurden ihre beiden Abteilungen wieder zusammengefasst. Neuer Direktor des Zentrums für Dermatologie und Andrologie der Justus-Liebig-Universität Gießen wurde im April 1989 der aus der Klinik von Otto Braun-Falco in München stammende Wolf-Bernhard Schill (geb. 1939).

   

Wolf-Bernhard Schill

Wissenschaftliche Schwerpunkte von Schill waren die klinische und experimentelle Andrologie, die Reproduktionsmedizin, die Reproduktionsbiologie und die Reproduktionstoxikologie. In enger Kooperation mit der Universitäts-Frauenklinik (Direktor: Prof.Dr.W.Künzel) und der Gesellschaft zur Förderung der In-vitro Fertilisation und Reproduktionsmedizin (Leiter: Prof. H. Gips) konnte die Betreuung kinderloser Paare unter Einbeziehung der Verfahren der In-vitro Fertilisation und der Mikroinjektion optimiert werden. Andererseits führte die enge Zusammenarbeit mit der Urologischen Universitätsklinik (Direktor: Prof. W. Weidner) zur Gründung des andrologischen Trainingszentrums der Europäischen Akademie für Andrologie, das nach einer internationalen Begutachtung diesen Titel 1995 verliehen bekam. Einmal pro Jahr wurde ein andrologisches Symposium in Kooperation mit der Urologischen Klinik durchgeführt. Nach Gründung einer Arbeitsgruppe Endokrinologie, Fortpflanzungsmedizin und Mikrochirurgie, der Mitarbeiter der Frauenklinik, der Hautklinik und der Urologischen Klinik angehören, konnte im Jahre 1997 mit der intrazytoplasmatischen Injektion von Hoden- und Nebenhodenspermatozoen bei Patienten mit Azoospermie erfolgreich begonnen werden.

Neben dem weiteren Ausbau der Andrologie und der Einrichtung zahlreicher modernst ausgestatteter Laboreinheiten für die andrologische Grundlagenforschung konnte auch der Bereich Dermatologie weiterentwickelt und dem internationalen Standard angepasst werden. Dazu gehörte die Erweiterung der Dermatochirurgie, die erfolgreiche Etablierung eines Funktionsbereiches operative Phlebologie, der Ausbau der Lichtambulanz mit Einrichtung von balneophototherapeutischen Badeeinheiten, die verbesserte Ausstattung der Dermatohistopathologie, die Erweiterung der Allergieambulanz und die zusätzliche Einrichtung eines Labors für experimentelle Mykologie. Schließlich konnte durch die Etablierung eines alle 2 Jahre stattfindenden international besetzten Kolloquiums für Dermatohistopathologie die Tradition der Klinik auf dem Gebiet der Dermatohistopathologie fortgesetzt werden.

Seit 1989 haben sich folgende Mitarbeiter habilitiert:

   Gerhard Haidl (geb. 09.03.1955)
Seit 1993 C3-Professor an der Universitäts-Hautklinik Bonn.

   Martin Nilles (geb. 29.12.1952)
1995 bis 1996 Chefarzt an der Fachklinik Hornheide der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster,
seither niedergelassener Hautarzt mit Schwerpunkt Dermatohistopathologie in Giessen.

   Klaus-Dieter Hinsch (geb. 16.02.1956)
Leiter der BfA-Reha-Klinik Borkum/Riff auf Borkum.

   Ralf Henkel (geb. 15.06.1960)
Ab 12/2003 Apl.-Professur an der Hautklinik Gießen, ab 08/2004 C3-Professor an der Klinik für Urologie des Universitätsklinikums der Friedrich-Schiller-Universität Jena, seit 09/2005 Full Professor, Deputy Chairperson and Research Coordinator, Department of Medical Biosciences, University of the Western Cape, Bellville, South Africa, seit 01/2008 Senior Professor am Department of Medical Biosciences, University of the Western Cape, Bellville, South Africa.

   Frank-Michael Köhn (geb. 21.09.1961)
Ab 2004 Apl.-Professur, leitender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der Technischen Universität München, seit 2006 niedergelassener Hautarzt mit Schwerpunkt Andrologie in München.

   Peter Mayser (geb. 13.06.1960)
Ab 01/05 Apl.-Professor am Zentrum für Dermatologie und Andrologie der Justus Liebig-Universität Giessen, vom 01.04.2005 bis zum 31.1.2009 kommissarischer Leiter der Klinik, seither leitender Oberarzt der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am UKGM.

   Elvira Hinsch (23.09.1954)
Ab 11/04 Apl.-Professorin am Zentrum für Dermatologie und Andrologie der Justus Liebig-Universität Giessen,
seit 2/09 Apl.-Professorin an der Klinik für Urologie, Kinderurologie und Andrologie.  

   Wolfgang Weyers (geb. 30.11.1958)
Zentrum für Dermatopathologie Freiburg.

   Hans-Christian Schuppe (geb. 12.05.1959)
Seit 3/07 Apl.-Professor und leitender Oberarzt am Zentrum für Dermatologie und Andrologie der Justus Liebig-Universität Giessen, seit 2/09 Apl.-Professor an der Klinik für Urologie, Kinderurologie und Andrologie.

   Volker Niemeier (geb. 02.02.1964)
Niedergelassener psychodermatologisch orrientierter Psychotherapeut in Gießen, derzeit Ausbildung zum Psychoanalytiker. 

   Thomas Monsees (geb. 25.02.1962)
Ab 7/03 wissenschaftlicher Angestellter am Institut für Anatomie der Technischen Universität Dresden, ab 2/08 Associate Professor am Department of Medical Biosciences, University of the Western Cape, Bellville, South Africa.

   Andreas Jung (geb. 25.09.1962)
Ab 9/09 Apl.-Professor an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am UKGM.

   Sybille Pflieger-Bruss (geb. 23.12.1966)
Seit 2009 niedergelassene Dermatologin in Bendorf. 

Nach der Emeritierung von Schill zum 31.03.2005 wurde das Zentrum für Dermatologie und Andrologie bis zum 31.01.2009 kommissarisch von Peter Mayser (geb. 1960) geleitet.

   Peter Mayser

Vom 01.02.2009 bis zum 30.09.2011 leitete Matthias Goebeler (geb. 1963) die Klinik. Das Zentrum für Dermatologie und Andrologie wurde mit seiner Amtsübernahme umbenannt in Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Die Abteilung für Andrologie wurde abgetrennt und in die Klinik für Urologie integriert.

   Matthias Goebeler

Die klinischen Schwerpunkte von Goebeler liegen auf dem Gebiet der blasenbildenden Autoimmundermatosen sowie der Psoriais vulgaris. Wissenschaftlich untersucht er die molekularen Mechanismen von Entzündungsprozessen unter besonderer Fokussierung auf die Rolle des Gefäßendothels. Er wechselte zum 1.10.2011 auf den Lehrstuhl für Dermatologie nach Würzburg.

Vom 1.10.2011 bis zum 30.11.2015 wurde die Klinik für Dermatologie, Venerologie und Andrologie kommissarisch von Uwe Gieler geleitet.

Seit dem 1.12.2015 wird die Klinik für Dermatologie und Allergologie von Thilo Jakob geleitet.