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Osteoporose-Leitlinien

Die aktuellen Leitlinien finden Sie hier ... http://www.dv-osteologie.org/dvo_leitlinien/dvo-leitlinie-2009

DVO Leitlinie Osteoporose 2009 - was ist neu?
Johannes Pfeilschifter, Essen

Am 15. Oktober 2009 wurde die aktualisierte DVO-Leitlinie 2009 zur Osteoporose von den 15 Fachgesellschaften des DVO offiziell verabschiedet. Die neue Leitlinie berücksichtigt neben der Glucocorticoid-induzierten Osteoporose erstmals auch die wichtigsten anderen Formen einer sekundären Osteoporose. Der Verabschiedung vorausgegangen war eine systematische Aufarbeitung und Bewertung der Literatur in einer interdisziplinären 25-köpfigen Arbeitsgruppe und eine umfangreiche externe Evaluation. In Ergänzung zur Ärzteversion wurde in Zusammenarbeit mit der Osteologie Akademie (OSTAK) und dem Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose (BFO) eine Patientenversion erstellt, die momentan in der Evaluationsphase ist und deren Entwurf unter http://www.dv-osteologie.de/ zu finden ist.
Die 10 wichtigsten Neuerungen der Leitlinie (bzw. die trotz gültiger Empfehlungen noch immer ungenügend bekannten Fakten zur Osteoporose) im Überblick:

  1. Im Vergleich zu Kalzium (siehe unten) ist die Bedeutung von Vitamin D für die Basistherapie der Osteoporose noch zu wenig in der Bevölkerung bekannt. Vitamin D reguliert aber nicht nur die Aufnahme von Kalzium, sondern verbessert auch die neuromuskuläre Koordination und vermindert damit sehr wirksam Stürze beim älteren Menschen. Vitamin D3 wird überwiegend in der Haut unter Einwirkung des UV-Sonnenlichts gebildet. Um einen schweren Vitamin D3-Mangel zu vermeiden, genügt ein täglicher 20-minütiger Aufenthalt im Freien. Ein mäßiger Mangel lässt sich damit aber häufig nicht vermeiden. Bei allen Patienten mit einer Osteoporose wird deshalb eine generelle Supplementierung mit 800-2000 Einheiten Vitamin D3 täglich oder einer gleichwertigen Dosis in mehrwöchentlichen Zeitabständen empfohlen. Alternativ kann man auch die Blutkonzentration von 25-Hydroxy-Vitamin D3 messen und gezielt supplementieren. Diese sollte größer als 20 ng/ml sein. Mit der bisher üblichen Dosen von 400-800 Einheiten Vitamin D3 täglich wird diese Blutkonzentration oft nicht ausreichend erreicht.
  2. Die Bedeutung von Kalzium wird für die Vermeidung und Behandlung einer Osteoporose eher überschätzt. Bei einer ausreichenden Versorgung mit Vitamin D3 (siehe oben) genügt schon eine Tageszufuhr von 1000 mg Kalzium für eine ausreichende Knochenmineralisation und die Vermeidung eines schädlichen hohen Knochenumbaus. Dieser Bedarf lässt sich auch bei den älteren Menschen meist gut durch kalziumreiche Nahrungsbestandteile (Käse, Milch, Jogurt, Quark) und Mineralwässer decken. Eine zusätzliche Supplementierung mit Kalziumtabletten ist dann nicht erforderlich. Es ist zudem nicht auszuschließen, dass eine zu hohe Kalziumzufuhr negative Auswirkungen auf den Körper hat. Es wird deshalb bewusst auch eine Obergrenze der empfohlenen Gesamtkalziumzufuhr von 1500 mg angegeben.
  3. Eine ausreichende Zufuhr von Vitamin B12 und Folsäure mit der Nahrung (Obst, Gemüse) wird empfohlen, da ein Mangel ein möglicher Risikofaktor für Brüche ist. Die Belege sind aber für weitergehende Empfehlungen z.B. einer Messung von oder Supplementierung mit Vitamin B12 oder Folsäure derzeit nicht ausreichend.
  4. Bestimmte Medikamente, die zur Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzt werden, die sogenannten Glitazone, erhöhen eindeutig das Risiko für Knochenbrüche. Die Leitlinie empfiehlt, das Bruchrisiko bei der Einnahme von Glitazonen kritisch zu prüfen, und die Therapie bei einer hohen Bruchgefährdung auf andere Präparate umzustellen. Auch vor der langjährigen Einnahme der sogenannten Protonenpumpenhemmer zur Magensäurehemmung wird gewarnt, da eine über Jahre durchgeführte Einnahme dieser Präparate mit einem deutlich erhöhten Risiko für Knochenbrüche verbunden ist.
  5. In Einklang mit mehreren neuen Studien wird noch einmal ausdrücklich betont, dass Muskeltraining und gute Ernährung zwar erfreulicherweise rasch und auch im hohen Lebensalter günstig auf den Knochen wirken, dass die Wirkung dieser Maßnahmen aber auf die Dauer der Durchführung begrenzt ist. Man kann einer Osteoporose im Alter nicht dadurch vorbeugen, dass man in jüngeren Jahren sportlich ist und sich gesund ernährt. Dies ist ein häufiges Missverständnis bei Patienten und Ärzten.
  6. Die Abschätzung der Höhe des Risikos, in den nächsten 10 Jahren einen Bruch zu erleiden und die darauf aufbauenden Empfehlungen, wer von einer diagnostischen Abklärung und ggf. einer medikamentösen Therapie profitiert, ist seit 2006 noch präziser geworden. Erstmals werden in den DVO-Empfehlungen auch die wichtigsten speziellen Risiken einer Osteoporosegefährdung, wie z.B. das Risiko einer Frau mit einer Östrogen-hemmenden Aromatasehemmertherapie nach Brustkrebs oder das Risiko bei einer rheumatoiden Arthritis einen Bruch zu bekommen, mit einbezogen. Auch beim Diabetes mellitus Typ 1, einer Therapie mit antimännlichen Hormonen bei einem Prostatakarzinom, einer Überfunktion der Nebenschilddrüsen und einer Epilepsie ermöglichst die aktualisierte Leitlinie eine Abschätzung des damit verbundenen Bruchrisikos. Wie schon in der Vorläuferversion wird betont, dass die Gesamtsumme der einzelnen Risiken für das Bruchrisiko ausschlaggebend ist, und dass man nur durch eine detaillierte Erfassung dieser Risiken das Bruchrisiko sinnvoll abschätzen kann. Keinesfalls sollte heute die Knochendichtemessung die alleinige Grundlage einer Therapieentscheidung sein. Die Leitlinie enthält eine Tabelle, mit der sich das 10- Jahres-Risiko für Brüche unter Einbeziehung der wichtigsten Risikofaktoren abschätzen lässt. Der DVO stellt hierfür auch einen anwenderfreundlichen Kalkulator zur Berechnung des Bruchrisikos auf seiner Homepage zur Verfügung.
  7. Es sollte keine Therapie ohne Labor erfolgen. Z.B. ist vor jeder medikamentösen Therapie die Bestimmung der Nierenfunktion essentiell. Hier wird aber statt des Kreatininwerts jetzt die Bestimmung der sogenannten Kreatinin-Clearance gefordert, die die Nierenfunktion wesentlich besser wiederspiegelt als der Kreatininwert alleine.
  8. Die Leitlinie warnt vor einer unkritischen Anwendung einer Zementeinbringung in den Wirbelkörper (Vertebroplastie und Kyphoplastie) nach einem frischen Bruch. Bis die Ergebnisse besserer Studien vorliegen, sollten diese Methoden wegen vieler Unklarheiten in Bezug auf die Langzeitsicherheit und Wirksamkeit nur dann angewandt werden, wenn sich der Bruch durch eine ausreichende professionelle Schmerztherapie nicht ausreichend behandeln lässt. Es wird betont, dass ein belegter Nutzen der Zementeinbringung nur in der akuten Linderung von Schmerzen liegt und nicht in anderen Wirkungen wie einer Aufrichtung des Wirbelkörpers.
  9. Bei Einnahme von Osteoporose-Medikamenten wird erneut vor einer Fehleinschätzung der Knochendichteveränderungen im Verlauf gewarnt. Bei den meisten Medikamenten ist ein Anstieg der Knochendichte weder für den Therapieerfolg erforderlich, noch verbessert ein Anstieg die Prognose des Patienten. Lediglich ein Abfall der Knochendichte unter einer Therapie ist als prognostisch ungünstiger Faktor zu werten. Dies ist nicht neu und stand schon in der Leitlinienversion von 2006, ist aber immer noch nicht ausreichend bekannt.
  10. Es wird empfohlen, die Dauer der medikamentösen Therapie an der Höhe des Bruchrisikos auszurichten und nicht (siehe Punkt 9) an der Änderung der Knochendichte oder einem starren Behandlungszeitraum. Fallen bei dem Patienten im Behandlungszeitraum Risiken weg (z.B. er beendet eine Therapie mit Kortison-artigen Tabletten, hört auf zu rauchen und ist nicht mehr untergewichtig), vermindert sich das Bruchrisiko des Patienten entsprechend. Bei der Mehrzahl der Patienten, bei denen das Bruchrisiko im Verlauf der Therapie dagegen hoch bleibt oder durch das zunehmende Alter eher ansteigt, ist aber eine fortgesetzte spezifische Therapie gerechtfertigt. Keinesfalls sollte man davon ausgehen, dass eine drei- oder fünf-jährige Therapie der Osteoporose das Bruchrisiko bei diesen Patienten dauerhaft vermindert. Ob vorübergehende Therapiepausen oder eine ununterbrochene Dauertherapie das bessere Therapiekonzept sind, ist aber noch ungeklärt.

Als methodische Basis für die Leitlinienaktualisierung 2009 wurde das „Deutsche Instrument zur methodischen Leitlinien-Bewertung“ (DELBI) gewählt. Die Literatursuche erfolgte in Medline nach dem Suchbegriff „Osteoporosis“ sowie in den wichtigsten Fachzeitschriften, in Leitliniendatenbanken und der Cochrane Collaboration. Gesichtet wurden insgesamt 9235 neue Publikationen zwischen dem 1. Februar 2005 und dem 31. Dezember 2008. Alle Publikationen, die Aussagen der Leitlinienversionen 2006 in Frage stellten, erweiterten oder veränderten, wurden von der der Arbeitsgruppe diskutiert. Der Bewertung der wissenschaftlichen Evidenz therapeutischer Studien wurden hierbei die von der Scottish Intercollegiate Guidelines Network (SIGN) vorgeschlagenen Kriterien zugrunde gelegt, für die Bewertung aller anderen Studien die Oxford-Kriterien. Die Leitlinie umfasst eine 4-seitige Kurzversion, eine ca. 50-seitige Langfassung und einen Anhang mit Erläuterungen zu den Studienergebnissen und den 140 externen Kommentaren, die in die Leitlinien- Aktualisierung eingeflossen sind.