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Info für Ärzte

Angehörige aus Familien mit gehäuftem Auftreten von familiären Pankreaskarzinomen oder Syndromen, die mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklunge eines Pankreaskarzinoms einhergehen, finden auf diesen Seiten grundlegende Informationen zu diesen Syndromen. Ebenso informieren wir über unser Vorsorgeprogramm für Hochrisikopersonen.

Hintergrund

Die Bauchspeicheldrüse ist ein im oberen Bereich der Bauchhöhle gelegenes Organ.
Derzeit ekranken etwa 11 000 Menschen in der Bundesrepublik jährlich neu an Krebserkrankungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreaskarzinome, abgekürzt: PC). Männer sind dabei ungefähr eineinhalb- bis zweimal so häufig betroffen wie Frauen. Der Bauchspeicheldrüsenkrebs nimmt inzwischen den fünften Platz bei den krebsbedingten organbezogenen Todesursachen ein. Dafür gibt es im wesentlichen zwei Ursachen:

  1. Die Tumoren werden häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert und sind dann nicht mehr heilbar.
  2. Bauchspeicheldrüsenkrebs, der nicht operativ entfernt werden kann, ist mit anderen heute zur Verfügung stehenden Methoden kaum heilbar.

Nach neueren Studien beruhen 1,9-2,7% aller Pankreaskarzinome auf einer vererbten Prädisposition. Das Familiäre Pankreaskarzinom-Syndrom (FPC) macht den Großteil (etwa 70%) der vererbten PC aus. Hierbei müssen 2 oder mehr erstgradige Verwandte betroffen sein, ohne dass die Kriterien eines anderen Tumorsyndroms erfüllt sind.
Diese Definition wurde im Rahmen einer Konsensuskonferenz vereinbart und wird auch von den meisten Experten angewendet. Das Risiko, ein PC zu entwickeln, erhöht sich hierbei mit der Anzahl der betroffenen Individuen in FPC-Familien. Desweiteren konnte gezeigt werden, dass Anlageträger, die rauchen, bis zu eine Dekade früher am PC erkranken als nichtrauchende Anlageträger.

Nikotinverzicht ist eine der besten Möglichkeiten, das Risiko für die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms deutlich zu senken!

Im Gegensatz zu anderen Tumorprädispositionssyndromen ist der zugrundeliegende Hauptgendefekt beim FPC bisher unbekannt. Bekannte Tumorsuppressorgene (= krebsunterdrückende Gene) wie TP 53, CDKN2A, MADH4/DPC4 spielen im Gegensatz zum sporadischen (ohne familiären Hintergrund) PC beim FPC keine Rolle, da keine inaktivierende Keimbahnmutationen in diesen Genen bei FPC-Patienten nicht identifiziert werden konnten. In anderen Kandidatengenen wie STK11/LKB1, RNASEL, CHEK2, NOD, ARLTS1 und Palladin konnten ebenso keine Keimbahnmutationen bzw. nur Genalterationen ohne eindeutige onkogene Bedeutung nachgewiesen werden.
Der bisher am häufigsten identifizierte Gendefekt beim FPC ist eine Keimbahnmutation im BRCA2 Gen (eines der beiden Brustkrebs-Gene). In mehreren Studien konnte eine Assoziation von Keimbahnmutationen im BRCA2 Gen mit dem FPC nachgewiesen werden, wohingegen jüngere Studien das hohe Auftreten von BRCA2-Keimbahnmutationen bei FPC-Familien nicht bestätigen. In lediglich 6 % aller FPC-Familien konnten BRCA2-Keimbahnmutationen gefunden werden.
Somit ist der Hauptgendefekt beim FPC ist nach wie vor unbekannt und stellt weiterhin großes Ziel unserer Forschungsbemühungen dar.
 

Tumorprädispositionssyndrome mit erhöhtem Risiko für ein Pankreaskarzinom

 

FAMMM-Syndrom

Das familiäre atypische multiple Muttermal und Melanom (FAMMM)-Syndrom ist charakterisiert durch das Auftreten von multiplen zum Teil dysplastischen Nävi und durch ein oder mehrere maligne Melanome (kutan oder intraokular) bei jeweils einem oder mehr Verwandten ersten oder zweiten Grades. So sind bei 25% der FAMMM-Familien zusätzlich PC und bei 12% der Familien mit FPC ein FAMMM-Phänotyp beschrieben. Bei den meisten bisher beschriebenen Familien mit FAMMM-Syndrom und PC konnten tumorauslösende Keimbahnmutationen im CDKN2A (cyclin dependent kinase 2A)-Tumorsuppressorgen identifiziert werden (Synonyme: p16ink4a, MTS1). Die Penetranz von CDKN2A-Mutationen in FAMMM-Familien variiert erheblich. Das metachrone Auftreten von Melanom und PC bei einzelnen Mutationsträgern ist ebenso beschrieben wie Melanom oder PC als in der Familie vorherschender Tumorphänotyp. Nävi können Atypien vermissen lassen oder gänzlich fehlen. In FPC-Familien ohne Melanome wurden bisher keine CDKN2a-Keimbahnmutationen identifiziert. In FAMMM-Familien wurde für Träger einer CDKN2A-Mutation ein 13- bis 22-fach erhöhtes Risiko für PC gezeigt. Für Träger einer spezifischen CDKN2A-Mutation wurde das kumulative Risiko für ein PC bis zum Alter von 70 Jahren auf 17% geschätzt. Das gemeinsame familiäre Auftreten von Melanom und PC in Verbindung mit einer CDKN2A-Keimbahnmutation scheint ein eigenes Tumorpädispositionssyndrom darzustellen und wird daher auch als familiäres atypische multiple Muttermal und Melanom-Pankreaskarzinom-Syndrom (FAMMMPC) oder Pankreaskarzinom-Melanom-Syndrom (PCMS) bezeichnet.
 

Peutz-Jeghers-Syndrom

Das Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS) ist charakterisiert durch mukokutane Pigmentierungen der Lippen, der Wangenschleimhaut, der Axilla, Finger und Zehen sowie multiple hamartomatöse intestinale Polypen. Das Syndrom wird autosomal dominant vererbt und hat eine Inzidenz von etwa 1:25000. Ursache ist eine Mutation in dem Gen für die Serin/Threonin-Kinase 11 (STK11). Die Funktion des Genproduktes ist noch nicht bekannt. PJS-Patienten haben ein 132-fach erhöhtes relatives Risiko und kumulatives Lebenszeitrisiko von 36% für die Entwicklung eines PC.
 

Hereditäre Pankreatitis

Die hereditäre Pankreatitis äußert sich klinisch meist bereits im Kindesalter (5 -10 Jahre) durch wiederholt auftretende abdominelle Schmerzattacken und akute Pankreatitiden, die zu der Entwicklung einer chronischen Pankreatitis führen. Die Erkrankung wird autosomal dominant vererbt und betrifft Männer und Frauen zu gleichen Teilen. Ursache der hereditären Pankreatitis sind in 70% der Fälle Mutationen im kationischen Trypsinogen-Gen (PRSS1, Protease Serin 1-Gen), die die autolytische Inaktivierung von Trypsin verhindern. Bei hereditärer Pankreatitis besteht ein kumulatives Lebenszeitrisiko für ein Pankreaskarzinom von 40% bis zum Alter von 70 Jahren, das sich bei paternaler Vererbung auf 75% zu erhöhen scheint. Rauchen erhöht das Risiko weiter und soll zu einem 20 Jahre früheren Auftreten des PC führen.
 

Hereditäres Mamma- und Ovarialkarzinom

Das familiäre Brust- und Eierstockkrebs ist ein autosomal dominant vererbtes Tumorsyndrom mit variabler Penetranz. Je nach Familienkonstellation beträgt die Prävalenz einer Keimbahnmutation in einem der beiden Gene BRCA (Breast Cancer Gene )1 oder BRCA2, die für die Erkrankung verantwortlich sind, bis zu 79%. Sowohl bei Mammakarzinom-Familien mit BRCA1- als auch mit BRCA2-Mutationen wurde ein vermehrtes Auftreten von Pankreaskarzinomen beobachtet. Bei Mammakarzinom-Familien, bei denen zusätzlich ein PC aufgetreten war, wurde eine BRCA2-Mutation 4-6-mal häufiger gefunden als in denen, die kein PC aufwiesen. In 2 aktuellen Studien wurden BRCA2-Keimbahnmutationen in 5 von 29 (17%) bzw. 5 von 26 (19%) FPC-Familien gefunden. Interessanterweise waren in 4 dieser 10 Familien bisher keine Mammakarzinome aufgetreten. Zudem konnte bei Patienten mit PC ohne Hinweis auf eine genetisch bedingte Tumorprädisposition in der Familienanamnese in 4,9-7% der Fälle eine BRCA2-Keimbahnmutation festgestellt werden. Damit ist eine BRCA2-Keimbahnmutation die häufigste bisher bekannte genetische Alteration beim FPC. Bei BRCA2-Mutationsträgern von Mammakarzinomfamilien wurde das relative Risiko für ein Pankreaskarzinom auf das 3,5-Fache und bei Personen jüdischer Herkunft mit einer spezifischen BRCA2-Mutation (BRCA2 6174delT) auf das 8-Fache erhöht geschätzt, das kumulative Lebenszeitrisiko dementsprechend auf 3,2% bzw. 7%.
 

Sonstige Tumorsyndrome

Die Tumorprädispositionssyndrome familiäre adenomatöse Polyposis (FAP), hereditäres nicht-polypösen Kolonkarzinom (HNPCC) und Ataxia Teleangiektatika, die durch Keimbahnmutationen im APC-Gen, den Mismatchrepairgenen (hMLH1, hMSH2, selten hMSH6, hPMS1 oder hPMS2) bzw. im ATM (Ataxia Teleangiektatika mutiert) -Gen verursacht werden, gehen ebenfalls mit einem erhöhten, jedoch deutlich niedrigerem PC-Risiko einher. Das relative Risiko liegt zwischen 1,5 und 4,5 fach.
 

Früherkennungsprogramm

Aufgrund der derzeitigen Daten ist die Durchführung flächendeckender Früherkennungsprogramme bei Hochriskopersonen für das Pankreaskarzinom nicht zu rechtfertigen. Hochrisikopatienten sollten ausschließlich im Rahmen von prospektiv kontrollierten, wissenschaftlich begleiteten Studien an Expertenzentren untersucht werden.
Um festzustellen, ob Sie eine Hochrisikoperson sind, sollten Sie folgende Informationen aus Ihrem familiärem Umfeld zusammentragen.

  • Welche Angehörigen sind an einem Pankreaskarzinom erkrankt?
  • In welchem Alter sind die Personen erkrankt?
  • Gibt es weitere Krebserkrankungen (insb. Brust-/Eierstock-/Hautkrebs)?
  • Gibt es Arztbriefe oder Unterlagen, die die o.g. Erkrankungen belegen?

Sollten Sie keine ärztlichen Unterlagen Ihrer erkrankten Angehörigen besitzen (oder aufgrund der Schweigepflicht in Besitz bringen können), so teilen Sie uns bitte den Namen des jeweiligen behandelnden Hausarzt oder Krankenhaus mit.
Da es häufig nicht gelingt ist, eine Keimbahnmutation für das FPC zu identifizieren, ist es meist unmöglich, Hochrisikopersonen mittels eines Gentests zu ermitteln. Daher erfordert die Identifizierung von Hochriskopersonen eine umfangreiche Stammbaumanalyse über mindestens 3 Generationen. Insbesondere sollten dabei alle Pankreaskarzinomfälle durch entsprechende Befunde oder Arztbriefe belegbar sein. Wir werden selbstverständlich gerne die Erstellung des Stammbaums durchführen.
Wichtigste präventive Maßnahme stellt der Verzicht auf das Zigarettenrauchen dar. Durch den Verzicht kann das Risiko, ein Pankreaskarzinom zu entwickeln, in FPC-Familien mindestens um den Faktor 2 gesenkt werden.
Gemäß einer Konsensuskonferenz sollten alle Hochrisikopersonen einem Vorsorgeprogramm im Rahmen von kontrollierten Studien zugeführt werden. Als Hochrisikopersonen gelten dabei Individuen, die ein mindestens 10fach erhöhtes Risiko für ein Pankreaskarzinom haben. Aufgrund der nachgewiesenen Antizipation des FPC wird empfohlen, Hochrisikopersonen 10 Jahre vor dem jüngsten Erkrankungsalter der jeweiligen FPC-Familie, spätestens jedoch ab dem 45. Lebensjahr in das Vorsogeprogramm aufzunehmen. Das Füherkennungsprogramm im Rahmen der Nationalen Fallsammlung Fämiliares Pankreaskarziom umfasst nach eingehender körperlicher Untersuchung eine umfassende Laboruntersuchung sowie eine Endosongraphie sowie eine spezielle MRT-Untersuchung, da dieses Untersuchungsverfahren ohne Strahlenbelastung durchgeführt werden kann.
Das Flussdiagramm veranschaulicht den Ablauf des Früherkennungsprogramms und der Entscheidungsfindung im Hinblick auf eine mögliche Operation.


 

Einschlußkriterien für die Aufnahme in die Nationale Fallsammlung familiäres Pankres-karzinom

Zumindest zwei Verwandte 1.Grades mit Pakreaskarzinom oder einen Pankreaskarzinom und Melanom ohne Hinweis auf andere erbliche Tumorsyndrome
(Diagnose muss durch Arztbriefe/Histologieberichte belegt sein)
mindestens 3 nachweislich an Pankreaskarzinom betroffene Verwandte unabhängig von Verwandschaftsgrad
nachgewiesene BRCA1/2 Mutation und mindestens 1 Pankreaskarzinom in der Familie
 

Ablauf eines Früherkennungsprogramms

Gemäß einer Konsensuskonferenz, sollten alle Hochrisikopatienten einem Früherkennungsprogramm im Rahmen von kontrollierten Studien an Expertenzentren zugeführt werden. Als Hochrisikopersonen gelten dabei Individuen, die ein mindestens 10fach erhöhtes Risiko für ein PC haben (siehe Tabelle). Aufgrund der vorliegenden Daten, insbesondere der nachgewiesenen Antizipation (früheres Auftreten innerhalb der verschiedenen Generationen) beim FPC wird empfohlen, Hochrisikopersonen 10 Jahre vor dem jüngsten Erkrankungsalter in der Familie, spätestens jedoch ab dem 45. Lebensjahr in ein solches Früherkennungsprogramm aufzunehmen.

  • Individuen mit mind. nachweislich 2 am Pankreaskarzinom betroffenen Verwandten ersten Grades
  • Individuen mit mind. nachweislich 3 am Pankreaskarzinom betroffenen Verwandten unabhängig vom Verwandtschaftsgrad
  • BRCA2 Mutationsträger mit mind. einem erst- oder zweitgradig am Pankreaskarzinom betroffenen Verwandten
  • CDKN2a Mutationsträger aus Familien mit Melanom-PC-Syndrom
  • Patienten mit Peutz-Jeghers-Syndrom
  • Patienten mit Hereditärer Pankreatitis

Tabelle: Hochrisikopersonen für die Entwicklung eines PC (Risiko >= 10 fach)

Den Familienangehörigen, bei denen ein familiär bedingt erhöhtes Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs erkennbar ist, wird ein Vorsorgeprogramm angeboten. Angehörige von Familien mit familiärem Bauchspeicheldrüsenkrebs werden gefragt, ob sie eine Blutprobe (20 Milliliter) für die geplanten genetischen Untersuchungen zur Verfügung stellen wollen. Dabei werden die Familienangehörigen gefragt, ob die geplanten Untersuchungen anonym erfolgen sollen oder ob sie nach Abschluß des Vorhabens informiert werden wollen, ob das Forschungsvorhaben neue Erkenntnisse für das Risiko des Auftretens von Bauchspeicheldrüsenkrebs in ihrer Familie erbracht hat. Zusätzlich werden Erkrankte gefragt, ob sie eine Gewebeprobe des Bauchspeicheldrüsenkrebses für genetische Untersuchungen zur Verfügung stellen
An den Blut-und Gewebeproben werden genetische Untersuchungen insbesonderer neuer, noch nicht evaluierter Gene vorgenommen, um für die Entstehung des Krebs ursächliche Krebsveränderungen aufzudecken.
 

Chirurgische Strategien beim Familiäen Pankreaskarzinom

Die Indikation zur Pankreasresektion ist bei Befunden, die im Rahmen des Früherkennungsprogramms erhoben wurden, besonders kritisch zu prüfen. Es besteht weiterhin der Konsens unter Experten, dass die Indikation zur Pankreasresektion beim hereditären Pankreaskarzinom nur dann besteht, wenn klinisch und in der Bildgebung ein tumorsuspekter Befund vorliegt .
Diese besonders strenge Indikationsstllung ist insbesondere vor dem Hintergrund der erheblichen Auswirkungen einer totalen Pankreatektomie auf die Lebensqualität zu sehen. Hier sei nur beispielhaft der meist schwer einzustellende Briddle-Diabetes zu nennen. Auch bei nachgewiesenen Läsionen besteht weiterhin die Frage, welches Operationsverfahren indiziert ist. Aufgrund der geringen Datenlage kann hier abschließend keine definitive Strategie vorgestellt werden. Einige Autoren halten bei gesichertem Pankreaskarzinom eine totale Pankreatektomie für indiziert, da FPC-Patienten häufig multifokale Dysplasien oder Karzinome entwickeln. Meistens ist es unmöglich, bereits präoperativ die definitive Diagnose "Pankreaskarzinom" zu stellen, sondern in den meisten Fällen wurden im Rahmen des Früherkennungsprogramms suspekte Läsionen festgestellt. Daher plädieren inzwischen die meisten Autoren zunächst eine partielle Resektion durchzuführen (PPPD oder Pankreaslinksresektion) und nur dann eine prophylaktische totale Pankreatektomie durchzuführen, wenn die intraoperative Schnellschnittdiagnostik eine hochgradige Vorläuferläsion oder ein Pankreaskarzinom ergab. Dieses Vorgehen wird zum einen durch die durchaus möglichen falsch-positiven Befunde der bildgebenden Verfahren im Früherkenungsprogramm einerseits und die aus einer totalen Pankreatektomie resultierende Morbidität andererseits begründet.