Ein Unternehmen der RHÖN-KLINIKUM AG
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Kinderschutzgruppe

Die Kinderschutzgruppe am Zentrum Kinderheilkunde und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Giessen hast das Ziel und den Auftrag, zu erkennen ob ein Kind von Vernachlässigung, Gewalt oder Missbrauch bedroht ist, oder ob dies sogar bereits stattgefunden hat.

Hierzu verfügen wir, entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin (DGKJ), über ein interdisziplinär zusammengestelltes Team, das im Verdachtsfall zusammentritt, um die sofortige Behandlung des Kindes einzuleiten und das weitere Vorgehen strukturiert festzulegen.

Was versteht man unter einer Kindeswohlgefährdung?
Eine Kindeswohlgefährdung kann sich in unterschiedlicher Form präsentieren:

  1. Kindesvernachlässigung, z.B. durch ungenügende Versorgung, ungenügende Beaufsichtigung oder emotionale Vernachlässigung oder
  2. Körperliche Misshandlung, z.B. durch stumpfe Gewalt, thermische Verletzungen, Zuführen ungeeigneter Medikamente (Münchhausen-by-proxy-Syndrom) oder auch Schütteln von Säuglingen (Schütteltrauma-Syndrom)
  3. Sexueller Missbrauch
      

Häufigkeit von körperlicher Misshandlung bei Kindern
Man geht davon aus, dass ca. 10% aller verletzten Säuglinge und Kleinkinder, die bei einem Arzt vorgestellt werden, ihre Verletzungen durch körperliche Misshandlungen erfahren haben. Etwa 15% aller Säuglinge werden vernachlässigt und etwa 10% aller Knochenbrüche im Kindesalter sind Misshandlungsfolgen. 

Bei welchen Kindern treten Misshandlungen gehäuft auf?
Selbstverständlich können alle Kinder Opfer von Misshandlungen werden, zumal dieses Problemfeld alle Gesellschaftsteile, alle Ethnien und alle sozialen Schichten durchdringt. Besonders gefährdet sind Säuglinge und Kleinkinder im Alter von unter 3 Jahren, ungewollte und unerwünschte Kinder sowie Kinder mit angeborenen Erkrankungen oder Behinderungen. Im Säuglingsalter handelt es sich gehäuft um Schreibabys bzw. Schreikinder, da diese ihre Eltern oft vor besondere Herausforderungen stellen. 

Welche Risikofaktoren gibt es auf Seiten der Familie?
Etwas gehäuft kommen Misshandlungen bei Kindern vor, wenn ein Elternteil alleinerziehend ist. Als Risikofaktoren gelten auch kurz aufeinanderfolgende Schwangerschaften, unrealistisch hohe Erwartungen an das Kind, materielle/finanzielle Schwierigkeiten und hoher sozialer Stress, Alkoholismus, Drogensucht und Misshandlung eines Elternteiles selbst in der Vorgeschichte.

Gibt es ein typisches Muster bei Misshandlungsfällen? 
90% aller Kinder werden über Hautauffälligkeiten, wie z.B. blaue Flecke, Läsionsmarken hervorgerufen durch das Auftreffen harter Gegenstände (Gürtel, Stöcke etc.) diagnostiziert. Am zweithäufigsten wird die Diagnose einer Kindesmisshandlung im Rahmen der Abklärung von Knochenbrüchen, Kopfverletzungen und auch Bauchverletzungen gestellt.

Das Schütteltrauma
Eine besondere Form der körperlichen Misshandlung ist das Schütteltrauma, das vorwiegend Neugeborene, Säuglinge und junge Kleinkinder betrifft. Es wird ausgelöst durch heftiges Schütteln des meist unter den Achseln gehaltenen Säuglings, bei dem der Kopf massiv nach vorn und hinten geschleudert wird. Hierdurch wird die Blutversorgung des Gehirns durch reflektorisches Zusammenziehen der Arterien komplett unterbrochen. Äußere Verletzungszeichen sind bei solchen Kindern oft gar nicht oder kaum zu sehen. Typisch ist, dass das Kind bereits wenige Minuten nach dem erfolgten Trauma müde oder schwer erweckbar wird und kaum noch auf Stimulation reagiert. Einige Zeit später treten entweder epileptische Anfälle auf oder das Kind fällt ins Koma. Die Fontanelle ist gespannt und ein Aufwecken des Kindes ist nicht mehr möglich. Die Prognose des Schütteltraumas ist überaus ungünstig. 10-20% der Patienten versterben und etwa die gleiche Zahl der Kinder bleibt für den Rest des Lebens schwerstbehindert. Ein Drittel der Kinder erblindet aufgrund von Netzhauteinblutungen, entwickelt eine schwere Spastik und eine schlecht behandelbare Epilepsie. Ein folgenloses Ausheilen scheint unmöglich zu sein.

Das Münchhausen-by-proxy-Syndrom
Bei dieser Form der Kindesmisshandlung werden dem Kind aktiv von Betreuungspersonen Verletzungen oder Vergiftungen beigebracht. Dies kann z.B. über das Zuführen von Medikamenten (Schlaftabletten, Blutdruckmittel, etc.), die im Haushalt für die Behandlung anderer Personen verfügbar waren, geschehen. Man nimmt an, dass Elternteile, die dies an ihren Kindern durchführen, unbewusst selbst Hilfestellung suchen und so auf sich aufmerksam machen wollen. Die Diagnosestellung kann in solchen Fällen langwierig sein, zumal die Eltern sehr besorgt und extrem kooperativ wirken.

Aufbau und Zusammensetzung der Kinderschutzgruppe in Giessen
Bei Verdacht auf Kindesmisshandlung kann jederzeit Kontakt mit der Kinderschutzgruppe aufgenommen werden. Der erste Ansprechpartner ist ein behandelnder Pädiater, der dann nach Sichtung der Verdachtsmomente und der Untersuchung des Kindes die notwendigen medizinischen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit des Kindes sofort einleitet. Parallel hierzu wird die Kinderschutzgruppe einberufen, um ein Paket weiterer Maßnahmen festzulegen. Diese bestehen aus einer Hilfs- und Sozialphase, ggf. mit der Notwendigkeit einer polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlung. 

Weiteres Vorgehen
An vorderster Stelle steht die körperliche Unversehrtheit des Kindes und die Vermeidung weiterer Gefährdung des einzelnen Patienten bzw. seiner Geschwister, die bei einem nachvollziehbaren Verdacht ebenfalls umgehend (noch am gleichen Tag) untersucht und in die Maßnahme mit einbezogen werden müssen. Es ist aber immer das Ziel, eine Kooperation mit den Eltern aufzubauen, um je nach Schweregrad und Fall die optimale medizinische und soziale Versorgung der Kinder und ihrer Familien zu etablieren. Dies geschieht durch Aufbau eines Netzwerkes um die Familie herum, z.B., je nach Fall, unter Einbezug des Jugendamtes, der niedergelassen Kinderärzte, Familienhilfen etc..


Mitglieder der Kinderschutzgruppe

Notfalltelefon: 0641/985-43400 (Stichwort: Kinderschutzgruppe, Kindesmisshandlung)

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Bernd A. Neubauer, Tel.: 0641-985-43481
Email: Bernd.A.Neubauer@paediat.med.uni-giessen.de

Mitglieder:
Thomas Born (Seelsorger)
Prof. Dr. Burkhard Brosig (Arzt f. Psychosomatik)
Prof. Dr. Dr. Reinhard B. Dettmeyer (Rechtsmediziner)
Herr Stefan Gerlinger (Sozialarbeiter)
Dipl.-Psych. Klaus Reinhardt (Psychologe, Psychotherapeut)
Dr. Stephanie Groß (Kinderärztin, Kinderneurologin)
Prof. Dr. Andreas Hahn (Kinderarzt, Kinderneurologe)
Prof. Dr. Bernd A. Neubauer (Kinderarzt, Kinderneurologe)
Frau D. Lommler (Kinderkrankenschwester)